Blog-Archive
Im Krieg verboten – gegen Demonstranten weltweit massiv eingesetzt: Tränengas & Pfefferspray
Im Krieg ist der Einsatz von Oleoresin Capsicum laut Genfer Konvention verboten. Umso erstaunlicher, dass der Wirkstoff im Konflikt zwischen der Polizei und Demonstranten bei Demonstrationen zum Einsatz kommen kann.
Die Tränenindustrie
Rio de Janeiro, Istanbul, Stuttgart: Wenn die Polizei gegen Demonstranten mit Tränengas vorgeht, verdienen Unternehmen mit. Wer sind sie?
© Osman Orsal/Reuters
Der Taskim-Platz in Istanbul, 28. Mai: Die Frau im roten Kleid wurde als „Lady in Red“ zur Ikone des Protests.
Eine junge Frau im roten Sommerkleid steht vor einer Wand aus schwer gepanzerten Polizisten. Über die rechte Schulter trägt sie einen weißen Stoffbeutel. Ein Polizist macht einen Schritt auf sie zu, in der Hand eine Sprühpistole, ein Schwall Pfefferspray schießt ihr mitten ins Gesicht.
Lady in Red nennen die Türken die Frau heute, ihr Bild ist eine Ikone. Geschossen hat das Foto der Reuters-Fotograf Osman Orsal während der Proteste auf dem Taksim-Platz. Ähnliche Bilder sind jetzt in Brasilien zu sehen, wo die Bevölkerung gegen Korruption und Verschwendung aufsteht. Auch hier: Polizisten, die Demonstranten mit Tränengas und Pfefferspray beschießen, um Protestgruppen aufzulösen und die Menge zu demoralisieren. 130.000 Reizgaspatronen soll die türkische Polizei allein in den ersten drei Wochen der Proteste verschossen haben, 100.000 sollen nun nachgekauft werden.
Doch was steckt hinter den Stoffen, die Augen tränen lassen? Die sofort den Drang auslösen, fliehen zu wollen? Wer stellt die Chemikalie her? Lies den Rest dieses Beitrags
Gesundheitliche Gefahren von Tränengas, Pfefferspray und Wasserwerfern
„Wie gefährlich sind Tränengas, Pfefferspray und Wasserwerfer?
Einen wirksamen Schutz gegen das Reizgas bilden Atemmasken. Wer die Chemikalie abbekommen hat, kann nur abwarten, bis die Symptome abklingen und die Augen mit klarem Wasser ausspülen, sagt Jan Hengstler, Professor für Systemtoxikologie am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung in Dortmund.
Tränengas darf legal eingesetzt werden – auch in Deutschland
Nach dem Chemiewaffenübereinkommen der Vereinten Nationen von 1992 dürfen Polizeikräfte Tränengas zur „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ und „innerstaatlichen Bekämpfung von Unruhen“ einsetzen – das ist in der Türkei legal, aber auch in Deutschland.
Einsatz von Pfefferspray ist bedenklich
Langzeitstudien zu der Wirkung von Capsaicin gibt es laut Hengstler wenige. Es gebe jedoch Hinweise darauf, dass Capsaicin ein schwaches Mutagen sei. Es kann unter bestimmten Bedingungen das Erbmaterial ändern, in letzter Konsequenz also auch Krebs verursachen.
Was Wasserwerfer gefährlich macht
Wasserwerfer enthalten teilweise ebenfalls chemische Beimischungen, wie das im Tränengas enthaltene CS oder Chloracetophenon. Somit können sie dieselben Symptome hervorrufen. Zudem ist der Strahl der Wasserwerfer extrem stark. Unter hohem Druck schießt das Wasser aus den Fahrzeugen. Die, die der Strahl trifft, kann er umhauen. Wenn er auf das Gesicht trifft, kann er Augenlider und sogar die Netzhaut zerreißen.